Viele Wege in die Pflege: Mit Einzelmodulen und Ausbildungsbegleitung schaffen auch Ungelernte den Einstieg.

Mindestens bis zum Jahr 2035 steigt der Personalbedarf in der Pflegebranche. Mit der im Januar 2022 in Kraft getretenen Pflegereform und der Konzertierten Aktion Pflege soll es mehr Stellen auch für Pflegehilfskräfte geben.

Die Diakonie Saar bietet Ungelernten und Menschen mit Migrationshintergrund drei Wege in die Pflege und schafft somit wichtige Teilhabe am Arbeitsleben:

  • Vorbereitungskurs „Impuls“ für eine Ausbildung in der Pflege,
  • Berufliche Weiterbildung „ALBA – Altenpflegebasiskurs“ für Pflegehilfstätigkeiten auf Qualifikationsniveau 2
  • Ausbildungsbegleitung, auch während der Ausbildung zur Pflegeassistenz

Im Rahmen der Kampagne #arbeitsinnstiftend – für mehr Teilhabe am Arbeitsleben stellen wir Ihnen die drei Ansätze vor und zeigen auf, wie Menschen ohne einen direkten einfachen Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung neue Möglichkeiten für eine sinnstiftende Arbeit erlangen.

In einer Ende 2022 erschienenen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung[1] wird anhand verschiedener Szenarien bis zum Jahr 2035 ein hoher Personalbedarf in der Pflegebranche prognostiziert. Ursächlich hierfür ist zum einen der demographische Wandel, aufgrund dessen die Zahl der pflegebedürftigen Menschen zunehmen wird (von ca. 41.000 im Jahr 2019 auf 46.000 bis 51.000 im Jahr 2035). Zum anderen werden in diesem Zeitraum altersbedingt Beschäftigte im Umfang von ca. 9.500 bis 11.000 Vollzeitäquivalenten in Rente gehen. Davon ausgehend 2035 müssten im günstigen Szenario ca. 13.000 Vollzeitäquivalente neu- oder nach zu besetzen sein, im Status-quo-Szenario über 17.000. Es besteht also ein hoher Personalbedarf, um pflegebedürftige Menschen in Zukunft adäquat versorgen zu können.

Um einen Beitrag zur Verbesserung dieser schwierigen Situation zu leisten, hat sich die Diakonie Saar in den letzten Jahren intensiv mit der Entwicklung von Einzelmodulen beschäftigt, die Menschen ohne einen direkten einfachen Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung in der Pflege haben, Möglichkeiten zu eröffnen:

IMPULS – Berufsvorbereitung für die Pflege

Dem Anliegen des saarländischen Sozialministeriums, Modellvorhaben zur Gewinnung von Migranten*innen für die Pflege zu entwickeln, hier insbesondere auch Frauen, wird seit 2017 mit „IMPULS- Berufsvorbereitung für die Pflege“ sehr erfolgreich Rechnung getragen.

Das Angebot richtet sich an Erwachsene im SGB II-Bezug. Im Rahmen der Unterstützung einer kultursensiblen Pflegeausbildung soll vor allem Menschen mit Migrationshintergrund Möglichkeit gegeben werden, die Vielfalt der Anforderungen in der Pflege kennenzulernen, um sich Klarheit über die eigenen Fähigkeiten zu verschaffen. Es werden Menschen mit Migrationshintergrund für die Ausbildung angeworben und sie erhalten zusätzlich zu den regulären Hilfen intensive Betreuung und Begleitung. Dabei werden auch alleinerziehende Frauen, zugewanderte Frauen und muslimische Frauen zur Berufsausübung ermutigt und spezielle Hindernisse oder Informationsdefizite beseitigt.

Zielsetzung der Maßnahme ist die Qualifizierung und die erfolgreiche Vermittlung in eine Ausbildung oder berufliche Tätigkeit in der Pflege.

Die Maßnahme beinhaltet ein individuelles Verfahren zur Feststellung der Eignung. Interesse am Berufsfeld bzw. an der Arbeit mit Menschen gilt als Voraussetzung zur Teilnahme. Es ist bei Eintritt in das Projekt nicht erforderlich, bereits eine feste Berufsorientierung im Bereich Pflege mitzubringen. Je nach Vorerfahrung und sprachlichem Qualifizierungsniveau ist auch ein Quereinstieg möglich. Die Eignungsfeststellung erfolgt im Laufe der Maßnahme in fachtheoretischen und praktischen Bereichen.

Ein durchgehendes Lernfeld ist die Einführung in die Aufgabenfelder der Pflege. Wir möchten Anregungen geben und fachliche Kompetenzen unserer Teilnehmenden für das Berufsfeld Pflege vertiefen. Die Einführung in das Thema Pflege erfolgt unter einem ressourcenorientierten Blickwinkel, der Pflege als professionelle Dienstleistung versteht. Die Pflege von hilfebedürftigen (älteren) Menschen und die Vermittlung von Kenntnissen zur Krankheitslehre sind zentrale Themenfelder. Daneben werden Grundlagen der Gesprächsführung vermittelt, die in der Kommunikation mit den Pflegebedürftigen aber auch mit Angehörigen und anderen an der Pflege beteiligten Personen relevant sind. Weitere Themenfelder im Unterricht sind die Unterstützung bei der Lebensgestaltung sowie die Dokumentation und Planung sowie rechtliche Grundlagen der Pflege.

Daran anknüpfend liegt auf der berufsbezogenen sprachlichen Qualifizierung der Teilnehmenden ein Hauptaugenmerk. Ausgehend vom Sprachniveau B1 wird dieses stabilisiert, verbessert und um berufsbezogene Alltagssprache und Fachbegriffe ergänzt. Es soll eine situationsbezogene Kommunikation in der deutschen Sprache bezogen auf den Arbeitsplatz in der Pflege trainiert werden. Ziel ist es, sicher in allgemeinen Umgangsformen zu sein, typische Dialogsituationen und grundlegende Fachausdrücken in der Pflege zu beherrschen.

Anwendung findet hier das Konzept des Integrierten Fach- und Sprachlernen, ein Fachunterricht in der beruflichen Qualifizierung, der Sprach- und Textkompetenz in der Zweitsprache explizit fördert. Dieser umfasst überwiegend sogenannte additive Sprachförderangebote, die einer fachlichen Qualifizierung entweder vorgeschaltet sind oder begleitend angeboten werden. Das Lernen läuft individualisierter ab, Lernziele werden passgenauer auf Einzelne oder kleine Gruppen ausgerichtet. Die sprachlichen Kompetenzen werden als zentraler Teil beruflicher Handlungsfähigkeit gewichtet, als Konsequenz daraus wird fachliches und sprachliches Lernen gleichberechtigt miteinander verzahnt und die Lernplanung interdisziplinär gestaltet. Hierzu braucht es in der Vor-und Nachbereitung einen regelmäßigen Austausch zwischen den Lehrkräften bezüglich der didaktischen Aufbereitung der fachlichen und sprachlichen Unterrichtsinhalte.

 

ALBA Altenpflege-Basiskurs Niedrigschwellige Qualifizierung unterhalb der Assistenzausbildung

Im Zuge der am 1.1.22 in Kraft getretenen Pflegereform und der damit verbundenen Konzertierten Aktion Pflege wird auch ein Augenmerk auf die Zusammensetzung des Personals in Pflegeeinrichtungen gelegt.[2] So wurden mehr Stellen für Pflegefachkräfte und Pflegehilfskräfte geschaffen sowie ein bundeseinheitliches Personalbemessungsverfahren gesetzlich verankert.[3] Damit einher geht auch eine Vorgabe, wie viel Personal welchen Qualifikationsniveaus eingesetzt werden soll und welche Anforderungen je Qualifikationsniveau erfüllt sein müssen.[4] Gespräche mit Vertreter*innen der ambulanten und stationären Pflege haben ergeben, dass es besonders in Qualifikationsniveau 2 perspektivisch einen hohen Personalbedarf gibt. Das Niveau zielt auf die Sicherheit, soziale Integration und Teilhabe der Pflegebedürftigen ab und ist auf den Erhalt ihrer Selbständigkeit ausgerichtet[5]. Menschen mit Qualifikationsniveau 2 unterstützen bzw. entlasten Pflegefachkräfte und/oder Angehörige5.

 

Zur Einstufung in Qualifikationsniveau 2 müssen Mitarbeitende zweierlei nachweisen:

  • die Teilnahme an einem 2- bis 6-monatigen Pflegebasiskurs im Umfang von 180 oder 200 Stunden Theorie sowie 80 Stunden praktischer Einsatz
  • das Absolvieren einer einjährigen, angeleiteten Tätigkeit in der Pflege.

 

Dem gegenüber stehen Menschen, die arbeitssuchend gemeldet sind und keine berufliche Perspektive entwickelt haben. Im Saarland waren im November 2022 6,4%[6] Menschen arbeitslos gemeldet (bundesweit: 5,3 %)[7], wobei laut Bundesagentur für Arbeit Langzeitarbeitslosen immer seltener ein beruflicher Wiedereinstieg gelingt, sodass es zu einer Verhärtung von Langzeitarbeitslosigkeit kommt.[8] Für Langzeitarbeitslose sowie Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund bedarf es daher niedrigschwelliger Qualifizierungsmaßnahmen, um eine Integration in den Arbeitsmarkt sowie soziale Teilhabe zu ermöglichen. Diese können ein Ausgangspunkt für weitere Qualifizierungen und berufliche Weiterentwicklung sein. Erste Gespräche mit den regionalen Jobcentern haben einen Qualifizierungsbedarf im Bereich Pflege ergeben.

 

ALBA setzt an diesen Problemlagen an. Ziel ist es, Menschen in Richtung Qualifikationsniveau 2 zu schulen, indem die vorliegende Maßnahme als Pflegebasiskurs (s.o. Punkt 1) den Grundstein zu diesem Niveau legt. Durch die enge Kooperation mit Pflegeeinrichtungen der Kreuznacher Diakonie wird die Perspektive geschaffen, die für Qualifikationsniveau 2 darüber hinaus notwenige Praxiserfahrung zu sammeln und eine langfristige Beschäftigung in der stationären Altenpflege aufzunehmen.

 

Begleitung während der Ausbildung: sozialpädagogische und schulische Unterstützung für bildungsfernere Zielgruppen

Für den neuen Beruf „Pflegefachmann/ Pflegefachfrau“ kann eine zusätzliche schulische und/oder sozialpädagogische Begleitung im Rahmen der „Assistierten Ausbildung – flexibel“ in Anspruch genommen werden. Für die landesspezifisch geregelte Ausbildung „Pflegeassistenz“ gibt es jedoch keine flankierenden Hilfen.

Dies ist im Besonderen deshalb ungünstig, weil gerade in diese Ausbildung Menschen mit schlechteren Eingangsvoraussetzungen einmünden, die sich im ersten Schritt eine Vollausbildung nicht zutrauen oder sich die Voraussetzungen hierfür erst erwerben müssen. Hier möchten wir politisch für die Notwendigkeit einer Veränderung sensibilisieren.

Derzeit unterstützt die Diakonie Auszubildende der „Pflegeassistenz“ durch zusätzlichen Stützunterricht mit Eigenmitteln (finanziert auch aus Mitteln der Diakoniestiftung), um ihnen den Weg zu einer erfolgreichen Pflegeassistenzausbildung zu ermöglichen. Unsere Erfahrungen der bisherigen Förderphasen, zeigen, dass für diese Zielgruppe eine zusätzliche Unterstützung während der Ausbildung erforderlich ist, um einen erfolgreichen Abschluss zu gewährleisten. Eine ergänzende sozialpädagogische Begleitung ist durch Landesmittel sichergestellt, so dass bspw. auch Unterstützung bei Formalitäten, Motivationsförderung und Krisenintervention stattfinden kann.

Der Stützunterricht baut fachtheoretische Kenntnisse und Lerntechniken auf und stabilisiert diese soweit, dass Auszubildende mit schulischen Defiziten oder sozialen Benachteiligungen ihre Ausbildung besser bestehen können. Insbesondere bei Auszubildenden mit Fluchthintergrund sind zusätzliche Stunden zur berufsbezogenen Sprachförderung nötig, da sie aufgrund geringer Sprachkenntnisse noch mehr Schwierigkeiten in der Berufsschule haben. Der Stützunterricht wirkt positiv auf das Lernverhalten und bringt Erfolgserlebnisse durch bessere Schulnoten, zudem besseres berufliches Fachverständnis.

 

Inhalte der Lernförderung

  • Gezieltes Aufarbeiten von Wissensdefiziten in den Berufsschulfächern,
  • Auswahl von Aufgabenstellungen, die zum individuellen Lernstand passen,
  • Unterstützung bei der Nutzung geeigneter Selbstlernmaterialien (Print und Digital),
  • Verbesserung von berufsbezogenen Sprachkenntnissen (Deutschförderung),
  • Lerncoaching zu Motivation, Lernorganisation und -techniken,
  • Prüfungsvorbereitung (Üben von Prüfungsteilen aus Vorjahren, Eingrenzen von Lernstoff, Erstellen von Lernplan, Merkhilfen, Erfolgskontrollen).

Quellennachweise

[1] Wydra-Somaggio, Gabriele/Stabler, Jochen (2022): Zum Beschäftigungsbedarf in der Pflege im Saarland bis 2035: Modellrechnungen für die ambulante und stationäre Pflege. URL: doku.iab.de/regional/RPS/2022/regional_rps_0422.pdf [letzter Zugriff am 26.01.2023].

[2] VP Verbund Pflegehilfe Gesellschaft mit beschränkter Haftung (2022): Pflegereform 2021 / 2022. Das ändert sich durch die Reform wirklich. URL: www.pflegehilfe.org/pflegereform-2021 [letzter Zugriff am 14.11.2022].

[3] Bundesministerium für Gesundheit (2021):Konzertierte Aktion Pflege. URL: www.bundesgesundheitsministerium.de/konzertierte-aktion-pflege.html [letzter Zugriff am 14.11.2022].

[4] siehe Anlage

[5] Karla Kämmer Beratungsgesellschaft: Inhalt und Aufbau der acht Qualifikationsniveaus.

[6] Bundesagentur für Arbeit (2022): Der Arbeitsmarkt im Saarland nach Landkreisen. Presseinfo Nr. 80 vom 30.11.2022. URL: www.arbeitsagentur.de/vor-ort/saarland/presse/2022-080. [letzter Zugriff am 16.01.2023].

[7] Newsletter der BA - Statistik und Arbeitsmarktberichterstattung 12/2022.

[8] Bundesagentur für Arbeit, Statistik/ Arbeitsmarktberichterstattung (2019): Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt ‒ Arbeitsmarktsituation von langzeitarbeitslosen Menschen. Nürnberg, Mai 2019. URL: statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Langzeitarbeitslosigkeit/generische-Publikationen/Langzeitarbeitslosigkeit.pdf;jsessionid=B9FC4A1B8307F883E2397185E0BDEB64 [letzter Zugriff am 26.01.2023].